„Moments“ – eine Fotoausstellung in schwarz/weiß von David Bush

vom 5. Juni bis 31. Juli 2020

 

Rotenburger Kreiszeitung: Ausgabe vom 13.4.2020

 

Das Motiv im Blick

 

Der gebürtige Engländer und Wahl-Rotenburger David Bush ist Fotograf mit Leib und Seele. In seinem Berufsleben ist er viel gereist,

hat viel gesehen – und hatte dabei immer ein Auge für die, die von der Gesellschaft sonst weniger gesehen werden.

 

VON ANN-CHRISTIN BEIMS

Rotenburg – Es ist das Jahr 1971. David Bush ist unterwegs und macht Aufnahmen. Keine typischen Hochglanzfotos, er sucht Junkies, Obdachlose – die, die sonst selten gesehen werden. Es sind Fotos, die zu der Zeit Mangelware sind. Aber genau das fasziniert ihn, das will er festhalten – am liebsten schwarz-weiß, so mag er es am liebsten. Es sind sozialkritische Fotos für eine Reportage. Sie werden sein erster Job als Fotograf sein.

Heute lebt der gebürtige Engländer in Rotenburg, seit den frühen 80er-Jahren ist er hier heimisch. Seit etwa einem halben Jahr ist er eingebürgert. Er sagt, wegen des Brexits – aber „ich hätte es sowieso gemacht“, betont er gleich darauf in seinem charmanten Deutsch-Englisch-Gemisch, in dem er aus seinem Leben erzählt. In seine Muttersprache fällt er besonders dann zurück, wenn er auf aufregende Ereignisse zurückblickt, dann fuchtelt er dazu mit den Händen. „Ich bin glücklich in Deutschland, ich fühle mich deutsch“, sagt er und lächelt ein wenig verschmitzt.

Er lächelt ohnehin viel, gut gelaunt sitzt er im Café Marleen, vor sich eine Tasse Kaffee. Und einen Stapel schwarz-weiß Fotos: aus Neapel, Dublin, Paris, London und Hamburg, alle aus den 60er- und 70er-Jahren. Bush ist viel rumgekommen in seinem Leben, hat viel gesehen, viel erlebt. Eine Auswahl dieser Bilder sollte demnächst dort zu sehen sein – das wird aufgrund der aktuellen Situation aber vorerst nicht stattfinden können.

An eine Episode erinnert er sich, als er ein Foto mit mehreren Kindern in dem Stapel auf dem Tisch entdeckt. Bush ist damals im italienischen Neapel und macht eine Foto-Reportage über einen Priester. „Don Borelli“, sinniert Bush, in einem Tonfall, der impliziert „das war schon einer“. Der Mann hat Straßenkindern geholfen, Kindern, die gestohlen haben, um zu überleben. Er hat ihnen nachts eine sichere Schlafmöglichkeit verschafft. Später ist er aus der Kirche ausgetreten. „Er hat sich verliebt“, weiß Bush einen Grund.

Dass im Leben nicht immer die Sonne scheint, muss auch Bush früh erfahren: Seine Eltern lernt er nie kennen, sie sterben im Zweiten Weltkrieg. 1943 im englischen Bournemouth geboren, kommt Bush noch als Baby in ein Kinderheim, seine Schwester wird in ein anderes Heim gebracht – Mädchen und Jungen werden getrennt. Gemeinsam aufwachsen dürfen sie nicht. Aber wenn er heute über seine ältere Schwester spricht, merkt man ihm den Stolz auf sie an. Sie lebt in Amerika, in Washington, und hat Medizin studiert. „Ein heller Kopf“, nennt er sie liebevoll.

Da seine Eltern vorgesorgt haben, können er und seine Schwester nach der Schule eine gute Ausbildung machen. Bush geht ans „College of Arts“ in seiner Geburtsstadt, beschäftigt sich mit Fashion- und Werbefotografie. Als er 25 Jahre alt ist, ergattert er ein Stipendium der Agfa und reist nach New York – dort soll er von dem bekannten Fotografen Robert Frank lernen. „Ein fantastischer Fotograf“, sagt Bush. Es gibt nur ein Problem: Frank weiß nicht, dass Bush kommt. Zudem „machte er nur noch Dokumentarfilme“, erinnert sich Bush. Der Engländer ist jedoch da, um seine Fotografiekenntnisse zu vertiefen. Er bleibt trotzdem in Amerika, „es war ja bezahlt“ – da ist es wieder, dieses verschmitzte Grinsen. Bush lernt das Truck fahren, Fotos macht er weiterhin. Von einem Kollegen bekommt er später ein Kompliment: „You can see a picture“, also etwa, Bush hat ein Auge fürs richtige Foto, den richtigen Moment.

Den muss er ohnehin möglichst treffen – bis heute fotografiert Bush mit seiner Leica, aus der M3 ist eine M6 geworden, sie ist schon gut 30 Jahre seine treue Begleiterin. Eine Digitalkamera möchte er nicht. Auf die Fotografie gekommen ist Bush durch ein Magazincover. Darauf war ein Mann mit einem Zwirbelbart in einem gestreiften Badeanzug abgebildet; in der Art, wie ihn die Menschen in den 1920er-Jahren getragen haben. „Das hat mich inspiriert“, meint er. Nach dem Studium ist es aber schwer, einen festen Job zu finden. Die Hoffnung auf einen Presse-Job in London verfliegt schnell. Seine Fotos sind gut, aber nichts Außergewöhnliches, heißt es von dort. Bis er die Reportage mit den Obdachlosen macht. Er landet in Frankreich, bekommt von einer Pariser Agentur Aufträge oder verkauft ihnen seine Fotos. Er reist, sieht viel von der Welt – auch Elend.

Sieben Jahre bleibt er in Frankreich, Ende der 1970er-Jahre kommt er nach Deutschland. Bush geht nach Hamburg, bekommt einen festen Job, auch, wenn es nicht sein Lieblingsjob wird. „Es waren Yellow-Press-Fotos“, erklärt er. Also Sensationsfotos. Aber so glamourös, wie viele sich das vorstellen, sei für ihn Welt der Stars und Sternchen nicht, sagt Bush. „Wir kamen zum Hotel, da waren 20 Presseleute, rein, Foto machen, maximal 15 Minuten, raus“, sagt der Rotenburger. Irgendwann muss er aufhören, beruflich Fotos zu machen. Er bleibt aber aktiv. Da er singen kann, was er in seiner Jugend bereits bewiesen hatte, gründet er mit einem Gitarristen eine Band, gemeinsam gehen sie als Vor-Band auf Tournee. Privat macht Bush weiter Fotos, mit seiner Leica als treuer Begleiterin. Bis heute. Denn das Auge für den richtigen Moment, das hat der Fotograf.